Putins und Xis Drohung an den Westen

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Das Briefing dazu, wie sich Entscheidungen in Brüssel auf Sie auswirken. Mit dem Wissen des größten Newsrooms der europäischen Hauptstadt.

POLITICO Pro Brussels Decoded Das Europa Briefing
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von JÜRGEN KLÖCKNER

Mit JULIUS BRINKMANN

DIE TOP-THEMEN

— Signal an den Westen: Die Abschlusserklärung von Putin und Xi wird in Europa als Drohung verstanden.

— Kampfansage an Moskau: Großbritannien will verhindern, dass Russland-Sanktionen umgangen werden — und sucht das Gespräch mit Putins Partnerländern, erklärt die zuständige Ministerin im POLITICO-Interview. 

— Klima-Wunschliste: Europas Sozialdemokraten haben in einem internen Papier ambitionierte Ziele für die neue Legislatur verfasst. Sie richten sich insbesondere an Landwirte.

— Neue Pläne von Mister KI: Brando Benifei hat Europas KI-Gesetz federführend mitverhandelt. Wie er die Branche im Falle seiner Wiederwahl noch stärker regulieren will, erklärt er im POLITICO-Interview.

— KI-Vertrag: Der Europarat hat eine neue Konvention zum Umgang mit Künstlicher Intelligenz angenommen.

— Kein Geldgeber: Bei der Suche nach neuen Finanztöpfen für gemeinsame Verteidigungsausgaben fällt die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung aus.

Willkommen bei Brussels Decoded, dem werktäglichen Europa-Briefing von POLITICO zur Mittagszeit. Mein Name ist Jürgen Klöckner — und ich informiere Sie hier zusammen mit meinen Kollegen Laura Hülsemann und Julius Brinkmann über die aktuellen Entwicklungen in den Machtzentralen Europas. Wegen des Feiertags erhalten Sie die nächste Ausgabe am Dienstag (21.5.). Genießen Sie das verlängerte — und hoffentlich sonnige — Wochenende!

Senden Sie Tipps und Feedback an jkloeckner@politico.eu, lhulsemann@politico.eu und jbrinkmann@politico.eu 

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WORÜBER BRÜSSEL SPRICHT

FERNDUELL: Während beim Europarat in Straßburg die Lage in der Ostukraine ganz oben auf der Agenda stand, beendete Russlands Präsident Wladimir Putin seinen zweitägigen Staatsbesuch in China

Das Signal an den Westen: Wir rücken noch näher zusammen. Putin umarmte Chinas Staatschef Xi Jinping zum Abschied in Peking, zuvor unterzeichneten die beiden eine gemeinsame Erklärung und kritisierten darin die Annäherung der Nato an eigene Grenzen. Am Freitag erklärte Putin dann, die Energiezusammenarbeit mit dem Land vertiefen zu wollen.

Die Abschlusserklärung zeige, sagte der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen POLITICO, dass „sich Xi mittlerweile offen an der Seite Putins im Krieg gegen die Ukraine positioniert“. Beide eine die Ablehnung des Westens und der Prinzipien, für die er steht. 

IN STRAßBURG wiederum nutzte Außenministerin Annalena Baerbock am Freitagvormittag die Bühne, um weitere internationale Unterstützung für die Ukraine bei der Luftverteidigung zu fordern. „Die Lage“, sagte die Grünen-Politikerin, sei nicht nur mit Blick auf die ostukrainische Großstadt Charkiw hochdramatisch. 

Die Stadt wird von Russland derzeit schwer angegriffen. Putin beteuerte in China zwar, dass die Stadt nach derzeitigem Stand nicht eingenommen werden solle.

Im Westen kauft ihm das aber keiner ab. Nötig seien mittel- und langstreckenfähige Waffensysteme, um die Ukraine stärker zu unterstützen, forderte Baerbock. Deutschland habe ein weiteres Patriot-System bereitgestellt, auch andere Länder hätten wichtige Komponenten geliefert. 

Appell an die Partner: „Klar ist, wir brauchen weitere große Systeme“, sagte die Grünen-Politikerin. Etliche europäische Partner würden dies —, wenn auch nicht öffentlich — prüfen. Baerbock verkaufte dies auch als Erfolg von der von Deutschland gestarteten internationalen Initiative für mehr Luftunterstützung. 

Es drängt: Sollte Russland Erfolg haben, sagte der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter POLITICO, „wird China dies als Blaupause für einen Angriff auf Taiwan nehmen, um damit die Vorherrschaft im Indopazifik zu erlangen“.

Deswegen sei die Abschlusserklärung auch als „Drohung gegenüber der Nato“ zu verstehen, die Sicherheitspartnerschaften der USA im Indopazifik auszubauen. „Xi baut vor, um ein eigenes militärisches Vorgehen im Indopazifik gegebenenfalls rechtfertigen zu können und ein Feindbild zu schaffen.“ Die Drohung sei auch ein Signal an den Nato-Gipfel in Washington im Juli, wo über eine Einladung an die Ukraine nachgedacht werde. 

FOKUS AUF SANKTIONEN: Großbritanniens zuständige Ministerin Anne-Marie Trevelyan erklärte derweil im Interview mit POLITICO, die Sanktionsmaßnahmen gegen Russland verschärfen zu wollen.

Drittlandskarussell: Ein Zeichen für ein erfolgreiches Sanktionsregime sei es, wenn es umgangen werde, sagte Trevelyan. Dies zeige, dass das, was weggenommen worden sei, vermisst werde. Um die Umgehung aber zu erschweren, werde Großbritannien nun stärker mit Drittländern zusammenarbeiten. 

Diplomatische Gespräche: Großbritannien ist im Gespräch mit den „Stans“, sagte Trevelyan und bezog sich dabei auf Länder in Zentralasien wie Kasachstan, Turkmenistan, Tadschikistan, Kirgisistan, Usbekistan — und auch Armenien —, die enge Beziehungen zu Russland haben. Sie können als Durchgangsland für die Einfuhr von Waren in das Land dienen. 

Unabhängig davon sagte sie, dass die gegen Putin und seine Kumpane verhängten Sanktionen „unglaublich wirksam“ sind. Weltweit hätten die Sanktionen Russland Vermögenswerte und entgangene Einnahmen im Wert von mehr als 400 Milliarden Dollar entzogen, sagte sie.

ENERGIE UND KLIMA

SOZIALDEMOKRATISCHE KLIMAWUNSCHLISTE: Die EU soll nach dem Willen der sozialdemokratischen Europaabgeordneten nach den Wahlen im Juni die Klimabelastung durch die Landwirtschaft stärker regulieren. 

Die zukünftigen umweltpolitischen Prioritäten: In einem Dokument, das POLITICO vorliegt, fordert die Mitte-Links-Fraktion der Sozialisten & Demokraten (S&D) im Europäischen Parlament ein spezifisches Klimaziel.

Landwirtschaft im Visier: „Derzeit ist die Landwirtschaft der einzige große Sektor, für den es kein spezifisches Emissionsziel gibt“, heißt es in dem Papier. „In Zusammenarbeit mit dem Sektor muss ein klares sektorales Ziel für 2040 definiert werden, das die Klimaziele der Union erfüllt und gleichzeitig kleine und Familienbetriebe stärkt.“

Potenzial, Wut zu schüren: Konservative und rechtsextreme Parlamentarier haben als Reaktion auf die europaweiten Traktorproteste im Frühjahr versucht, die Umweltauflagen für Landwirte zu lockern.

Ein neues Ziel ist nicht die einzige Maßnahme, die die Sozialdemokraten für die Landwirtschaft fordern. Auf der Prioritätenliste stehen auch strengere Pestizidvorschriften und die Sicherstellung, dass EU-Agrarsubventionen Maßnahmen für eine nachhaltige Landwirtschaft fördern.

Die S&D fordert außerdem, dass die Europäische Kommission einen „umfassenden und ehrgeizigen Rahmen für die Wasserresilienz“ vorschlägt, um die schwindenden Wasservorräte der EU zu schützen. Große Wasserverbraucher — einschließlich der Landwirtschaft — „müssen höhere Effizienzziele erreichen“.

Klimaanpassungsgesetz gefordert: Die Vorbereitung auf größere Dürren und andere Auswirkungen des Klimawandels ist die oberste Priorität der Fraktion für die nächste Legislaturperiode. 

Umstrittenster Vorschlag: Ein weiterer Punkt auf der politischen Wunschliste ist ein „Just Transition Framework“, um sicherzustellen, dass der Green Deal sozial gerecht ist. Finanziert werden soll das durch gemeinsame Anleihen.

AUßERDEM ERFAHREN LESERINNEN UND LESER des Energy-and-Climate-Newsletters, welche Klimaschutzpläne die neue Regierungskoalition in den Niederlanden verfolgt. Außerdem geht es um den Zementhersteller Holcim, 500 Millionen Euro in CO2-neutralen Zement investieren will.

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TECH

KI-VERTRAG VERABSCHIEDET: Die Außenminister der 46 Mitgliedsstaaten des Europarats haben am Freitag den ersten internationalen Vertrag zur Regulierung von Künstlicher Intelligenz (KI) und deren Auswirkungen auf die Menschenrechte verabschiedet. 

Der Vertrag legt Regeln fest, die sicherstellen sollen, dass KI-Technologien Demokratie, Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und Privatsphäre nicht untergraben. Mehr dazu hat Gian Volpicelli.

NEUE PLÄNE VON MISTER KI: Der sozialdemokratische Europaparlaments-Abgeordnete Brando Benifei ist in den vergangenen fünf Jahren zu einem der bekanntesten und einflussreichsten Gesichter der EU-Digitalpolitik geworden. Grund ist das KI-Gesetz, das der 38-Jährige federführend mit verhandelte. 

Mit KI noch nicht fertig: Das Regelwerk — das erste seiner Art weltweit — ist beschlossen, doch Benifei will das Thema weiter verfolgen. Welche Pläne hat der Macher des KI-Gesetzes, sollte er nach den Wahlen wieder ins Europäische Parlament einziehen? POLITICO hat mit dem Italiener am Rande seines Wahlkampfs in Mailand über seine weitere Agenda gesprochen. Dort trat er vor Digital-Unternehmen auf. 

Nächste Schritte: Im Interview mit unseren Kollegen von Morning Tech sagte Benifei, dass er auf seine Erfolgsbilanz bei der Regulierung von KI aufbauen wolle, um eine linke Sichtweise auf den weiteren Umgang mit diesem Thema voranzubringen. 

Sozialismus goes KI: „Wir müssen die Rechte der Gewerkschaften und der Arbeitnehmer schützen, wenn es um den Einsatz von KI am Arbeitsplatz geht“, sagte Benifei. „Das wäre ein wichtiger erster Schritt, um eine weitere Fragmentierung der Arbeitnehmerrechte in der Europäischen Union zu vermeiden. Das ist eine Priorität — und etwas, an dem ich mich gerne beteiligen würde.“

Im Falle seiner Wiederwahl möchte Benifei sich insbesondere mit dem Thema KI am Arbeitsplatz befassen, einer mit Spannung erwarteten Verordnung, die die Kommission schon seit einiger Zeit plant und die sie voraussichtlich Ende 2025 vorschlagen wird.

Der Mitte-Links-Italiener sprach sich auch dafür aus, dass möglichst alle Gesellschaftsschichten von KI profitieren. „Das Risiko besteht darin, dass die Vorteile der KI ohne die richtige Arbeits- und Steuerpolitik nur die Einkünfte einiger weniger erhöhen werden“, sagte er.

Linke Töne: Benifei sagte: „Wir müssen nicht einige Multimilliardäre noch reicher machen, sondern dafür sorgen, dass die Vorteile und der Wohlstand, die durch die KI geschaffen werden, gleichmäßig verteilt werden.“ 

Große Pläne: In seiner Rede vor potenziellen Wählern in Mailand griff der Sozialdemokrat die Idee auf, ein „CERN für künstliche Intelligenz“ zu schaffen, die bereits von einer Vielzahl von Wissenschaftlern geäußert wurde. CERN ist die Europäische Organisation für Kernforschung, ein gesamteuropäisches Wissenschaftsprojekt mit Sitz in Genf. 

„Das KI-Gesetz befasst sich nicht mit dem Forschungsaspekt der KI“, sagte er den Teilnehmern der Veranstaltung. „Aber wenn wir es geschafft haben, so etwas wie CERN zu schaffen, können wir das jetzt auch für KI tun.“

AUßERDEM ERFAHREN LESERINNEN UND LESER von Morning Tech, welche Pläne die neue niederländische Regierung im Bereich Technologiepolitik hat und was von dem AI Safety Summit in Seoul zu erwarten ist.

VERTEIDIGUNG

NEUE GELDER GESUCHT: Die EU-Regierungen sind weiter auf der Suche nach einem Geldtopf für gemeinsame Verteidigungsausgaben. Nun hat ein weiterer potenzieller Geldgeber abgewunken.

Auf keinen Fall werde die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE) in die Verteidigung investieren, so ihre Präsidentin Odile Renaud-Basso, die sich eine zweite vierjährige Amtszeit an der Spitze des Kreditgebers gesichert hat.

Anderer Kurs: Die Europäische Investitionsbank überarbeitet derweil ihre „Dual-Use“-Regeln, um mehr Kredite an Unternehmen aus dem Verteidigungssektor vergeben zu können. „Dual-Use“-Güter können sowohl für zivile als auch für militärische Zwecke genutzt werden. Die EU-Finanzminister werden voraussichtlich Ende Juni darüber entscheiden.

Die EU-Kommission hofft, dass dieser Schritt andere Banken und Vermögensverwalter ermutigen wird, mehr Geld in den Verteidigungssektor zu investieren, wie unsere Brüsseler Kollege Bjarke Smith-Meyer berichten

Die EBWE sieht das anders. „Wir sind eine ganz andere Institution als die EIB, auch wenn wir multilateral sind“, sagte Renaud-Basso. „Die EIB hat eine politische Dimension, sie ist ein politisches Konstrukt mit politischen Institutionen“.

Die Bank hat 75 Mitglieder aus der ganzen Welt, darunter auch Länder mit anhaltenden Konflikten wie Armenien. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir in die Verteidigung und in die Unterstützung von Militärausgaben investieren“, sagte die EBWE-Chefin. 

Unterstützung für die Ukraine: Die EBWE, die in den 1990er Jahren gegründet wurde, um die Entwicklung der postsowjetischen Länder zu finanzieren, ist allerdings entschlossen, die vom Krieg zerstörte Wirtschaft der Ukraine zu unterstützen. 

„Wenn man der Wirtschaft hilft, zu überleben, hilft man ihr auch, ihre militärischen Anstrengungen zu finanzieren und ihre militärische Unterstützung aufrechtzuerhalten“, sagte die 58-Jährige. „Das geht wirklich Hand in Hand und ist in der Kriegssituation, in der sich das Land befindet, sehr wichtig.“

AUßERDEM ERFAHREN LESERINNEN UND LESER des Defense-Newsletters, wie westliche Großmächte ihre Anstrengungen gegen Hyperschallraketen verstärken. Und, Dänemark hat der Ukraine mehr Artillerie- und Luftabwehrhilfe zugesagt.

WORÜBER BRÜSSEL SONST NOCH SPRICHT

NÄCHSTER HANDELSKRIEG: Die EU hat zwei neue Antidumpinguntersuchungen gegen Weißblech und Parkett aus China angekündigt. Die beiden Branchen hätten „ausreichende Beweise für unfaire Handelspraktiken vorgelegt“, sagte der Handelssprecher der EU-Kommission, Olof Gill, in einer per E-Mail übermittelten Erklärung. Weitere Informationen hat Koen Verhelst.

Das war Brussels Decoded — das Europa Briefing von POLITICO. Vielen Dank, dass Sie uns lesen und abonnieren. Bis zur nächsten Ausgabe!

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